"Es ist eines der schrecklichsten Gefühle, die ich kenne."

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Geschichten aus der Community

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Kira für "Menschen von Helpcity"

Wie würdest du mit eigenen Worten beschreiben was du erlebt hast?

Ich weiß es noch genau, es war ein schöner Frühlingstag vor 2 Jahren, an dem ich den positiven Schwangerschaftstest in der Hand hielt. Ich lief zu meinem Mann in den Garten und wir umarmten uns voller Freude. Es war zwar nicht geplant, aber dennoch sehr erwünscht. Wir freuten uns auf unser zweites Kind und Amelia, unsere damals 2-jährige Tochter, sich auf ihr Geschwisterchen. Natürlich habe ich sofort bei meiner Frauenärztin einen Termin gemacht und freute mich darauf eine Woche später dann unser Würmchen beim Ultraschall sehen zu können und zu hören das alles in Ordnung ist. Das alles in Ordnung ist davon war ich fest überzeugt bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich dann beim Frauenarzt war.

Wir machten einen Ultraschall und dann kam der Schreck, der Embryo war zwar zu sehen, aber er hatte keinen Herzschlag. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon mit leichten Schmierblutungen zu kämpfen, mir wurde jedoch gesagt, dass das vorkommen kann. Es wurde noch ein zweites sogenanntes Windei im Ultraschall festgestellt und ich wurde mit den Worten entlassen, dass ich den Mutterpass ab der zwölften Woche ausgehändigt bekomme würde und wir abwarten sollen und noch mal Blut abnehmen, um den HCG Wert zu bestimmen. Das wurde dann auch gemacht. Den Wert bekam ich einen Tag später mitgeteilt und soweit ich mich erinnere, war er in der Norm. Ich kann aber nicht verheimlichen, dass ich zwar Hoffnung hatte, aber mir meine innere Stimme bereits mitteilte, dass da etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.

So bekam ich einige Tage später eine kleine Blutung und fuhr zum Frauenarzt – was man sah war ein Hämatom in der Gebärmutter und ein Embryo der eingefallen aussah. Erneut wurde der HCG Wert bestimmt und meine Befürchtung hatte sich bestätigt, er war nur noch leicht angestiegen, nicht so hoch wie es in einer intakten Schwangerschaft der Fall wäre. Das ganze Vorgehen zog sich ungefähr 4 Wochen in die Länge. Zwischendurch beim Ultraschall sah man dann auch eine eingefallene Fruchtblase und einen Embryo, der nie einen Herzschlag bekam. Ab da war klar –  diese Schwangerschaft endet in einer Fehlgeburt. Ich wartete einige Tage, doch es kam kein natürlicher Abgang zustande. Ich denke mein Herz wollte es einfach nicht gehen lassen. Letztendlich war ich aber auch froh, weil ich wirklich Angst vor einer natürlichen Fehlgeburt hatte. Die erlebte ich übrigens 4 Monate später. Nun da die Zeit langsam drängte wurde mir zu einer Ausschabung geraten, welcher ich zustimmte. Durch Corona musste ich alles alleine durchstehen. Zu dem Zeitpunkt war ich in der 9. Schwangerschaftswoche.

Ich musste alleine in das Krankenhaus und mein Mann konnte mich nicht unterstützen. Ich weiß noch genau wie ich mich zusammen reißen musste im Vorbereitungszimmer nicht zusammenzubrechen. Im OP konnte ich meine Tränen dann nicht mehr zurückhalten. Kurz vor der Narkose sagte ich unter Tränen „Ich wollte dieses Kind doch so sehr“. Dann bekam ich auch schon die Narkose. Ich durfte am selben Tag wieder nachhause und die psychische Hölle ging weiter. Es war schrecklich. Man blutet und man weiß man ist nicht mehr schwanger. Der Traum ist vorbei. Und die meisten Menschen verstehen diese Situation nicht und das Worte verletzen können.

Als du selbst realisiert hast, dass etwas nicht stimmt, wie hast du dich dabei gefühlt?

Es ist eines der schrecklichsten Gefühle, die ich kenne. Ich wusste ab dem Moment wo die etwas stärkere Blutung kam es ist vorbei. Und ich weiß noch genau ich lag im Bett und war die Tage zuvor schon gelähmt vor Angst ich könnte dieses Baby verlieren. Meine Mutter war zu dem Zeitpunkt da, und ich schrie, ich schrie vor innerem psychischen Schmerz. Ich wollte es nicht wahrhaben und doch musste ich stark sein und funktionieren. Für meine kleine Tochter, sie brauchte ja auch ihre Mama.

Wie sah dein Alltag aus?

Wie schon gesagt musste ich funktionieren. Mein Mann konnte mich arbeitsbedingt nicht unterstützen, er war durch die Bundeswehr zu dem Zeitpunkt nur am Wochenende zu Hause.

Also lief der Tagesablauf so ab wie immer. Nur das ich, wenn ich alleine war jedes Mal zusammenbrach und viele Tränen flossen. Ich war so unglücklich, ein so tiefes Loch war in meinem Herzen, ich dachte dieser Schmerz hört nie auf. Aber man lernt mit dem Schmerz zu leben.

Angesichts deiner Situation, wie wirkt deine Umgebung und die Gesellschaft auf dich?

Ich bekam sofort den Satz „Es ist doch noch gar kein richtiges Baby.“ um die Ohren geworfen. Oh, was hat mich dieser Satz getroffen. Hatten die eine Ahnung. Ab dem Zeitpunkt des positiven Schwangerschaftstests hat man eine Verbindung zu dem kleinen Wesen in seinem Bauch. Man malt sich doch sofort eine Zukunft mit diesem Kind aus. Natürlich wurde ich von meiner Mutter und meinem Mann sehr viel in Arm genommen, jedoch konnten sie es natürlich nicht nachvollziehen, wie ich mich fühlte –  das können nur Frauen, die es selbst erlebt haben.

Was mich wirklich sehr gefreut hat ist dass eine Sternenkind-Beerdigung stattfand. Die Worte der Pastorin waren so heilend, sie sagte jedes Kindchen wird begraben, egal wie klein oder groß.

Diese Beerdigung war sehr schön, die kleinen Sterne lagen alle zusammen in einem wunderschönen weißen Sarg mit goldenen Details. Es ist einfach toll das ein Ort geschaffen wurde, wo wir Sterneneltern unsere Sterne besuchen können und Blumen oder Spielzeug ablegen können.

Man hat einen Ort, wo man das Gefühl hat, noch etwas für sein Kind tun zu können.

Die Gesellschaft an sich ist allerdings noch weit zurück im Umgang mit Fehlgeburten.

Es wird nicht darüber gesprochen, dabei passiert es so vielen Frauen.

Wenn du die Möglichkeit hättest, offen und ehrlich reden zu können, was würdest du sagen wollen?

Es sollte publik gemacht werden, dass es Sternen-Beerdigungen gibt und Organisationen, die einem kostenlose Erinnerungen zukommen lassen. Es hilft einem so enorm, etwas als Erinnerung in den Händen halten zu können. Außerdem sollten die Frauenärzte etwas einfühlsamer reagieren und einen darauf hinweisen, dass es eben diese Beerdigungen gibt. Ich musste mich durch die Pathologie im Krankenhaus telefonieren, um zu erfahren, wann mein Sternchen beigesetzt wird. Das war einfach total nervenaufreibend, weil man ja unbedingt dorthin wollte und sie nicht verpassen wollte.

Und an die Betroffenen: Redet darüber, ihr müsst nicht schweigen. Ihr seid keine Versager, ihr seid nicht alleine! Es passiert so vielen von uns und keiner ist schuld daran.

Wie definierst du für dich Leben?

Leben ist für mich das Lachen meines Kindes. Ich tue alles dafür damit es ihr immer gut gehen wird. Kinder sind der Sinn des Lebens, sie geben einem so viel. Kinder machen das Leben zwar manchmal unglaublich hart, aber so viel bunter und lebenswerter.

Hat diese Erfahrung dein Leben nachhaltig verändert?

Auf jeden Fall. Diese Erfahrung hat mich reifen lassen und ich habe gelernt mit diesem Schmerz umzugehen. Ich weiß nun das Zeit zwar keine Wunden heilt, sie jedoch weniger weh tun, je mehr Zeit vergeht. Und ich weiß, dass keine Schwangerschaft selbstverständlich ist. Natürlich habe ich nun auch totale Angst vor einem erneuten Verlust, nach den mittlerweile zwei Fehlgeburten, und kann mir gerade noch nicht vorstellen es erneut drauf ankommen zu lassen. Dafür ist meine Angst einfach noch zu groß, aber da es mein Traum ist dieses Haus mit Kinderlachen zu erfüllen und mein kleines Team zu haben, werde ich es auch schaffen diese Angst irgendwann zu überwinden, noch habe ich ja meinen kleinen Wirbelwind und unsere Hunde, die mich genug auf Trapp halten.

Zu wissen, dass andere Betroffene mit ihren Ängsten und Sorgen nicht allein sind, kann sehr hilfreich sein. Deswegen möchten wir dich und deine Geschichte vorstellen. Warst du schon mal in einer schwierigen Situation? Was oder wer hat dir geholfen?

Du magst das vielleicht nicht glauben, aber deine Geschichte könnte für andere Gold wert sein – sie könnte einen Wendepunkt in ihrem Leben darstellen.

Schreib uns dafür doch eine kurze E-Mail an kontakt@helpcity.de. Gerne teilen wir deine Story mit den anderen Usern. Ob als Social Media Beitrag, auf der Pinnwand oder auf unserem Helpcity Blog – das darfst du entscheiden. Die Veröffentlichung kann natürlich komplett anonym erfolgen.

Wir freuen uns auf deine Nachricht! 

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